Es sind wie jedes Jahr ein paar Knaller dabei. Die ig Nobelpreis wird jedes Jahr für Forschungen verliehen, wo man sich denkt, dass der Wissenschaftler ja wohl irgendwie einen an der Klatsche haben muss, um das Thema zu erforschen. Das ist aber nicht zwangsläufig negativ gemeint ... Ein gewisses Maß an Verrücktheit schadet ja manchmal nicht.
Meine persönlichen Favoriten sind dieses Jahr die Arbeit, bei der herausgefunden wurde, dass man bei Glatteis die Socken lieber über die Schuhe statt über die Füsse ziehen sollte, weil man so die Rutschgefahr reduziert. Auch die Forschungsergebnisse, die nachgewiesen haben, dass sich beim Platzen einer Tiefseepipeline Öl- und Wasser vermischen, haben sich wirklich als "visionär" herausgestellt. Nur die Idee, das bei Deepwater Horizon mal zu überprüfen, war irgendwie doof.
Den
Gadget Geek in mir spricht natürlich besonders die Forschungsarbeit an, bei der mit ferngesteuerten Mikrokoptern, an den Petrischalen montiert wurden, über die Blaslöcher von Walen geflogen wurde, um das ausgepustete Wasser einzusammeln, um es dann auf Bakterien zu untersuchen. Ich könnte mir vorstellen, dass allein die Flugmanöver langes und intensives Training benötigten ...
Aber mein Lieblingspreis ist natürlich der ig Nobelpreis in der Kategorie Wirtschaft. Der ging an die
"executives and directors of Goldman Sachs, AIG, Lehman Brothers, Bear Stearns, Merrill Lynch, and Magnetar for creating and promoting new ways to invest money — ways that maximize financial gain and minimize financial risk for the world economy, or for a portion thereof."
Tja, so kann man es auch beschreiben.
Aber das Verfahren an sich ist schon interessant. Weil der ig Nobelpreis das nicht weiter vertieft, hier noch ein Hinweis auf einen Artikel, der das Verfahren genauer beschreibt.
Grundsätzlich haben die CDOs immer drei Absatzwege gehabt: a) Die beste Tranche (oder Scheibe, wie ich es meistens nenne) mit der höchsten Qualität haben die Banken einfach selber behalten. Der unterste Teil mit dem höchsten Risiko ging an Hedgefonds (die sollten mit Risiko ja umgehen können). Der Teil dazwischen sollte an Pensionsfonds gehen. Hier sollte, bei passender Dicke der Scheiben, ein deutlich höherer Zins auf ein trotzdem geringes Risiko treffen (was im Nachhinein natürlich nicht stimmte).
Als 2006 die Verbriefung der Hypotheken über CDOs langsam durch Absatzprobleme ins Stocken kam, haben die Banken die mittleren Teile, für die sich keine Käufer mehr fanden, einfach an neue CDOs weiterverkauft. Diese wurden dann wieder in Scheiben geschnitten, der beste Teil ging an die Banken, der risikoreichste an die Hedgefonds und der mittlere Teil an Pensionsfonds. Und wenn die nicht wollten, haben die Banken eben nochmal den Rest an einen neuen CDO verkauft, wieder neu geschnitten, etc. pp.
(Quelle:
Propublica)
Das Ganze funktionierte (scheinbar), weil die CDOs in ihrer grundsätzlichen Konstruktion das Ausfallrisiko der verbrieften Hypotheken neu und asymmetrisch verteilt haben. Daher konnte man selbst aus dem mittleren Teil mit dem mittleren Risko wieder Tranchen mit geringerem Risiko basteln.
Durch die MehrfachverCDOung der Hypotheken wird offensichtlich, dass es den Banken nie wirklich darum ging, die Risiken "fair" zu verteilen und die Scheiben in passende Dicke zu schneiden, sondern vor allem (oder ausschließlich) darum, die Risiken loszuwerden. Die oberste Scheibe sollte also wirklich risikofrei sein (und die blieb dann bei der Bank), die mittlere sollte so dick sein wie möglich und so risikolos erscheinen, wie eben darstellbar und das sollte dann an Pensionsfonds gehen (wobei sich die Banken schon im Klaren waren, dass sie damit Risiko abgeben, ansonsten wäre die Nummer ja sinnlos gewesen) und die unterste wurde mit so hohen Zinsen versehen, bis ein Hedgefonds zugegriffen hat. Da es dabei aber nur um eine kleine Summe ging, konnte man ruhig hohe Zinsen zahlen. Hauptsache die Tranche oben war sicher und das Risiko war weg.
Banks’ Self-Dealing Super-Charged Financial Crisis - ProPublica
Zu den CDOs siehe auch meinen Artikel zum Tod von Toxie:
ZAHL DES TAGES (26.09.10): 449,06
Zu den ig Nobelpreisen:
Ig Nobel awards go to slime mould and fruity bats | Science | guardian.co.uk
Oder direkt von der Quelle:
Improbable Research
Update (14:32):
Der ProPublica Artikel ist übrigens in seiner ganzen Länge lesenswert. Auch der Teil mit der Neugründung von Hedgefonds, bei denen ehemalige Mitarbeiter ihrem Ex-Arbeitgeber (übrigens *nur* ihrem Ex-Arbeitgeber) den Giftmüll abgekauft haben, ist sehr interessant. Genau so wie die Überkreuzkäufe von CDOs, die sich gegenseitig Anteile abgenommen haben (wahrscheinlich um schonmal erfolgreiche Verkäufe vortäuschen zu können). Bei den Überkreuzdeals ging es um mehr als 100 Mrd. Dollar ... Hauptsache die Maschine kommt nicht ins Stottern ...
Das erinnert alles an Enron, nur nochmal eine Nummer härter ...
Update 2 (14:37):
Von den Finanzleuten kam übrigens niemand zur Verleihung der Preise ... Ganz im Gegensatz zu den Wissenschaftlern, von denen erstaunlich viele zur Verleihung kommen, die mancher doch für einen Affront halten könnte. Aber vielleicht nicht mehr lange, denn dieses Jahr ging der Nobelpreis für Chemie zum ersten Mal an einen Wissenschaftler, der vorher schon die ig Nobelpreise gewonnen hat. Den richtigen bekam Andre Gaim für seine Forschungen im Bereich Graphene (Physik), den ig Nobelpreis für Versuche, Frösche mit Magneten zum Schweben zu bringen ...
Geim becomes first Nobel & Ig Nobel winner
Es sind wie jedes Jahr ein paar Knaller dabei. Die ig Nobelpreis wird jedes Jahr für Forschungen verliehen, wo man sich denkt, dass der Wissenschaftler ja wohl irgendwie einen an der Klatsche haben muss, um das Thema zu erforschen. Das ist aber nicht zwangsläufig negativ gemeint ... Ein gewisses Maß an Verrücktheit schadet ja manchmal nicht.
Meine persönlichen Favoriten sind dieses Jahr die Arbeit, bei der herausgefunden wurde, dass man bei Glatteis die Socken lieber über die Schuhe statt über die Füsse ziehen sollte, weil man so die Rutschgefahr reduziert. Auch die Forschungsergebnisse, die nachgewiesen haben, dass sich beim Platzen einer Tiefseepipeline Öl- und Wasser vermischen, haben sich wirklich als "visionär" herausgestellt. Nur die Idee, das bei Deepwater Horizon mal zu überprüfen, war irgendwie doof.
Den
Gadget Geek in mir spricht natürlich besonders die Forschungsarbeit an, bei der mit ferngesteuerten Mikrokoptern, an den Petrischalen montiert wurden, über die Blaslöcher von Walen geflogen wurde, um das ausgepustete Wasser einzusammeln, um es dann auf Bakterien zu untersuchen. Ich könnte mir vorstellen, dass allein die Flugmanöver langes und intensives Training benötigten ...
Aber mein Lieblingspreis ist natürlich der ig Nobelpreis in der Kategorie Wirtschaft. Der ging an die
"executives and directors of Goldman Sachs, AIG, Lehman Brothers, Bear Stearns, Merrill Lynch, and Magnetar for creating and promoting new ways to invest money — ways that maximize financial gain and minimize financial risk for the world economy, or for a portion thereof."
Tja, so kann man es auch beschreiben.
Aber das Verfahren an sich ist schon interessant. Weil der ig Nobelpreis das nicht weiter vertieft, hier noch ein Hinweis auf einen Artikel, der das Verfahren genauer beschreibt.
Grundsätzlich haben die CDOs immer drei Absatzwege gehabt: a) Die beste Tranche (oder Scheibe, wie ich es meistens nenne) mit der höchsten Qualität haben die Banken einfach selber behalten. Der unterste Teil mit dem höchsten Risiko ging an Hedgefonds (die sollten mit Risiko ja umgehen können). Der Teil dazwischen sollte an Pensionsfonds gehen. Hier sollte, bei passender Dicke der Scheiben, ein deutlich höherer Zins auf ein trotzdem geringes Risiko treffen (was im Nachhinein natürlich nicht stimmte).
Als 2006 die Verbriefung der Hypotheken über CDOs langsam durch Absatzprobleme ins Stocken kam, haben die Banken die mittleren Teile, für die sich keine Käufer mehr fanden, einfach an neue CDOs weiterverkauft. Diese wurden dann wieder in Scheiben geschnitten, der beste Teil ging an die Banken, der risikoreichste an die Hedgefonds und der mittlere Teil an Pensionsfonds. Und wenn die nicht wollten, haben die Banken eben nochmal den Rest an einen neuen CDO verkauft, wieder neu geschnitten, etc. pp.
(Quelle:
Propublica)
Das Ganze funktionierte (scheinbar), weil die CDOs in ihrer grundsätzlichen Konstruktion das Ausfallrisiko der verbrieften Hypotheken neu und asymmetrisch verteilt haben. Daher konnte man selbst aus dem mittleren Teil mit dem mittleren Risko wieder Tranchen mit geringerem Risiko basteln.
Durch die MehrfachverCDOung der Hypotheken wird offensichtlich, dass es den Banken nie wirklich darum ging, die Risiken "fair" zu verteilen und die Scheiben in passende Dicke zu schneiden, sondern vor allem (oder ausschließlich) darum, die Risiken loszuwerden. Die oberste Scheibe sollte also wirklich risikofrei sein (und die blieb dann bei der Bank), die mittlere sollte so dick sein wie möglich und so risikolos erscheinen, wie eben darstellbar und das sollte dann an Pensionsfonds gehen (wobei sich die Banken schon im Klaren waren, dass sie damit Risiko abgeben, ansonsten wäre die Nummer ja sinnlos gewesen) und die unterste wurde mit so hohen Zinsen versehen, bis ein Hedgefonds zugegriffen hat. Da es dabei aber nur um eine kleine Summe ging, konnte man ruhig hohe Zinsen zahlen. Hauptsache die Tranche oben war sicher und das Risiko war weg.
Banks’ Self-Dealing Super-Charged Financial Crisis - ProPublica
Zu den CDOs siehe auch meinen Artikel zum Tod von Toxie:
ZAHL DES TAGES (26.09.10): 449,06
Zu den ig Nobelpreisen:
Ig Nobel awards go to slime mould and fruity bats | Science | guardian.co.uk
Oder direkt von der Quelle:
Improbable Research
Update (14:32):
Der ProPublica Artikel ist übrigens in seiner ganzen Länge lesenswert. Auch der Teil mit der Neugründung von Hedgefonds, bei denen ehemalige Mitarbeiter ihrem Ex-Arbeitgeber (übrigens *nur* ihrem Ex-Arbeitgeber) den Giftmüll abgekauft haben, ist sehr interessant. Genau so wie die Überkreuzkäufe von CDOs, die sich gegenseitig Anteile abgenommen haben (wahrscheinlich um schonmal erfolgreiche Verkäufe vortäuschen zu können). Bei den Überkreuzdeals ging es um mehr als 100 Mrd. Dollar ... Hauptsache die Maschine kommt nicht ins Stottern ...
Das erinnert alles an Enron, nur nochmal eine Nummer härter ...
Update 2 (14:37):
Von den Finanzleuten kam übrigens niemand zur Verleihung der Preise ... Ganz im Gegensatz zu den Wissenschaftlern, von denen erstaunlich viele zur Verleihung kommen, die mancher doch für einen Affront halten könnte. Aber vielleicht nicht mehr lange, denn dieses Jahr ging der Nobelpreis für Chemie zum ersten Mal an einen Wissenschaftler, der vorher schon die ig Nobelpreise gewonnen hat. Den richtigen bekam Andre Gaim für seine Forschungen im Bereich Graphene (Physik), den ig Nobelpreis für Versuche, Frösche mit Magneten zum Schweben zu bringen ...
Geim becomes first Nobel & Ig Nobel winner
ig Nobelpreise verliehen ...